Wie wird der Verhaltensoutput in einem Gehirn organisiert, der auf externen sensorischen Inputs, internen Motivationszuständen oder sogar auf Wissen aus früheren Erfahrungen basiert? Das Verstehen dieser Prozesse ist die wesentlichste Frage im Bereich der Neurowissenschaften. Seit Jahrhunderten kartieren Forscher in den funktionellen Hirnwissenschaften Eigenschaften des Verhaltens auf Bereiche des Gehirns. Doch der Schritt von einfachen Karten zu einem allgemein akzeptierten Modell hat sich als äusserst schwierig erwiesen. Unter den extrem reduzierten Modellorganismen (z.B. C.elegans oder Aplysia), die nur auf einer eingeschränkten Ebene aussagekräftige Vergleiche mit dem Menschen erlauben, und komplexeren Wirbeltiersystemen (z.B. Maus, Zebrafisch), die numerische, ethische und technische Zwänge haben, hat der klassische genetische Modellorganismus Drosophila eine wichtige Zwischenstellung erlangt. Neuere Ansätze versuchen entweder, das komplette Connectom des Larvenhirns durch serielle Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) zu ermitteln oder arbeiten an einem 3D-Hirnatlas für sein erwachsenes Pendant, der auf konfokalen Mikroskopiestapeln verschiedener GAL4-Treiberlinien basiert. Beide Ansätze sind jedoch an biologische Grenzen gestoßen; während die TEM-Methode auf die anatomische Ebene eines einzelnen Gehirns beschränkt ist, aber aufgrund ihrer hohen Auflösung die Erstellung des Connectoms ermöglicht, erlaubt die 3D-Registrierung die Verknüpfung anatomischer Daten mit funktionellen Studien. Bisher ist sie jedoch aufgrund ihrer numerischen Komplexität von etwa 200.000 Neuronen auf etwa 10% des erwachsenen Drosophila-Hirns beschränkt.
Daher schlagen wir einen gemeinsamen Ansatz vor, um eine umfassende 4D-Rekonstruktion der etwa 10.000 Neuronen des Larvenhirns auf der Basis von GAL4-, LexA- und Split-GAL4-Linien zu erstellen. Das Projekt wird durch die einzigartige Expertise von drei Gruppen realisiert, die auf dem Gebiet der Neurowissenschaften und der Informatik arbeiten; 1) Das Thum-Labor wird diese Neuronen durch immunhistochemische Techniken und konfokale Mikroskopie visualisieren. 2) Das Merhof-Labor wird diese Neuronen auf der Grundlage seiner anatomischen Informationen auf ein Standard-Hirn registrieren. 3) Das Bühler-Labor wird die verarbeiteten Daten in einer Open-Access-Datenbank verarbeiten, organisieren und visualisieren. Darüber hinaus werden die Labors von B. Dickson und J. Truman, beide am HHMI Janelia Farm Research Campus (USA), das Vorhaben unterstützen, indem sie Zugang zum weltweit grössten Satz genetischer Werkzeuge und anatomischer Rohdaten zur Anatomie des Gehirns von Larven bieten. Zusammengefasst wird unser Ansatz das Larvenhirn in 4D auf neuronaler Ebene rekonstruieren; gleichzeitig wird er auch einen neuen Satz von annotierten (in einer Open-Access-Datenbank) und frei zugänglichen neurogenetischen Werkzeugen definieren, um die besondere Funktion einzelner Neuronen innerhalb eines ganzen Gehirns zu untersuchen. Damit wird es erstmals möglich sein, eine gemeinsame Ressourcenbasis zu schaffen, die die schnell wachsende neurobiologische Gemeinschaft in Europa unterstützt, die an der Drosophila-Larve arbeitet.
Prof. Andreas Thum, Universität Konstanz / Universität Leipzig
Prof. Dorit Merhof, RWTH Aachen
Prof. Jim Truman, HHMI
Prof. Volker Hartenstein, UCLA
Wissenschaftliche Leiterin | Head of Biomedical Image Informatics Group, Biomedical Image Informatics
buehler(at)vrvis.at +43 1 908 98 92 401Start: 04.2015
Ende: 03.2018
Universität Konstanz, RWTH Aachen
FWF (DACH)